Jürgen Wolf, Homeboy: „Die Marke hat eine unglaubliche Historie“

Mittwoch, 04. November 2015
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homeboy

Jürgen Wolf, Gründer von Homeboy

1988 gründete Jürgen Wolf das Streetwearlabel Homeboy. Nach einem kometenhaften Aufstieg mit der Modemarke ging er 2002 als Teil der New-Economy-Bubble mit dem Börsengang von Cyber-Pirates AG, einer Internet-Jugendplattform, unter. „Lange dran geknabbert“, habe er. Aber er habe sich sein Motocrossbike geschnappt, viel Sport getrieben und sei an dieser Erfahrung „als Mensch gereift“. Nun, 13 Jahre später, plant er eine Rückkehr von Homeboy, die eine der ersten Streetwearmarken überhaupt war.

Jürgen, uns ist zu Ohren gekommen, dass es News aus dem Hause Homeboy gibt. Was ist dran?
Das ist ziemlich vielschichtig. Ich habe in den letzten drei Jahren den Markt beobachtet und mich gefragt: Warum soll ich mich mit dem zufrieden geben, was auf dem Markt ist, wenn es meinen Geschmack nicht trifft? Ich habe mein halbes Leben in Flip-Flops verbracht und dann mit Homeboy angefangen. Daher bin ich in Sachen Klamotten eigentlich total versaut (lacht). Jetzt bin ich etwas in die Jahre gekommen und die Kleiderordnung für Männer ab 40 scheint zu besagen, dass man Porsche fahren und Hemden und Anzüge tragen muss. Mich in die Reihe dieser Banker-Lookalikes einzureihen, war für mich unmöglich. Ich war also zu alt für die Streetwearläden und stand in den Menswearläden herum wie Falschgeld. Seit der globalen Finanzkrise 2008 denke ich, ist dieser Style aber gar nicht mehr so angesagt. Ich sehe da eine Veränderung dieser einst ungeschriebenen Kleiderordnung, die bisher noch keiner so richtig bedient – Drykorn schon geht in die Richtung, aber auch nicht zu hundert Prozent.

Und dann?
Vor drei Jahren beschloss ich, mal wieder die Bread & Butter zu besuchen und traf dort eine Menge alter Bekannter, mit denen ich mich über die Marktsituation unterhielt. Ich stellte fest, dass so manch anderer mein Problem teilte: Was kommt, wenn man für Streetwear zu alt wird? Der Blick auf den Markt zeigte mir: Wir sind da, wir ehemals jungen Streetwearkunden, und wir sind viele. Das ist ein riesengroßer Markt. Ein Endverbrauchermarkt, der immer mehr Einfluss nimmt. So wurde mein Interesse an dieser potenziellen Nische genährt und ich fing an, intensiver zu recherchieren. Schließlich kam die Lust zurück, wieder Mode zu machen.

Lag dafür der Name Homeboy nicht auf der Hand?
Genau. Ich hatte nach wie vor die Rechte an Homeboy, also tastete ich mich vorsichtig voran: „Am liebsten würde ich ‚Homeboy’ draufschreiben“, ließ ich in dem einen oder anderen Gespräch fallen. Sobald ich Homeboy erwähnte, bekamen meine Gesprächspartner immer so ein Lächeln um die Lippen, weil es sie an eine gute Zeit erinnerte. Ich habe mich also vor ein weißes Blatt Papier gesetzt und angefangen, zu skizzieren, was ich tun würde, wenn ich jetzt ein Label aufziehen würde. Es hat sich natürlich wahnsinnig viel getan in den letzten 15 Jahren. Das System Großhandel - wir gehen auf eine Messe, die Leute werden aufmerksam, die Leute ordern – das funktioniert so nicht mehr. Es ist zu langwierig und bringt keinen ‚monetären Spaß’ für den Händler. Außerdem hatte ich keine Lust mehr auf all den Ballast – hundert Mitarbeiter, Buchhaltung, Lager und zuletzt, als AG, sogar vier Bilanzen jährlich. Ich wollte alles weglassen, was mir keinen Spaß macht – da blieb dann genau das übrig, weshalb ich damals mit Homeboy begann.

Und wie sollte das Vorhaben konkret aussehen?
Ich habe ein paar Multibrandhändler angerufen - die finde ich nämlich immer noch am spannendsten - und mich mit ihnen verabredet. Das erste Treffen fand in Nürnberg bei Wöhrl statt. Wir haben ein paar Stunden lang über den Markt, die Messen, über Geldverdienen, die Vertikalen gesprochen und vor allem darüber, wie es mit der Branche weitergeht.

Wer war bei diesem Treffen dabei?
Das waren Reischmann, Wöhrl und Yeans Halle.

Und was habt Ihr beschlossen?
Wir haben einen Schulterschluss vereinbart: Club Homeboy. Dabei geht es darum, zusammen eine Kollektion zu entwickeln, in die unsere gemeinsamen Erfahrungen einfließen. Wir haben ausgemacht, uns sechsmal im Jahr zu treffen und die Kollektion zu begleiten, bis sie steht. Anschließend hat jeder im Konsens das Gleiche geordert, genau angepasst auf das, was er auf der Fläche braucht und verkauft.

Vorderseite

Was sind die jeweiligen Vorteile von Club Homeboy für die Händler und für Dich?
Wir haben die perfekte Kontrolle über das Timing: Die Order wird geschrieben, sie geht am nächsten Morgen in die Produktionsstätten und acht Wochen später wird sie ausgeliefert – das wird dann Anfang Dezember sein. Wir wissen dann auch sofort, wie sie angenommen wird. Ich bekomme das direkte Feedback von den Händlern, worauf wir sofort reagieren.

Und wie verdienst Du dann Dein Geld?
Club Homeboy ist als ein sehr schlankes Unternehmen konstruiert. Ich habe kein Lager, keinen Außendienst, kein Firmengebäude, keine Messekosten. Ich mache das Design, das Marketing und die Produktion mit Leuten, die schon in den Achtzigern und frühen Neunzigern mit mir gearbeitet haben. Hierfür nehme ich zehn Prozent vom Verkaufspreis als Clubgebühr. Die Clubmitglieder kaufen zum Herstellungspreis ein, was natürlich bedeutet, dass sie mehr verdienen, wenn mehr geordert wird, weil wir dann größere Mengen abnehmen können. Deswegen ist uns daran gelegen, mehr Händler in den Club aufzunehmen. Gleichzeitig wollen wir nicht zu groß werden, weil sonst der demokratische Prozess nicht mehr funktioniert, den wir angestrebt und auch erreicht haben.

Warum hast Du letzten Endes beschlossen, es unter dem Namen Homeboy noch einmal zu versuchen?
Der Verbraucher und auch der Händler wollen Geschichten hören. Und ich will Verkäufer, die wieder Bock darauf haben, Geschichten zu erzählen. Homeboy hat Geschichte und deshalb können wir Geschichten erzählen. Vor jeder Auslieferung setzen wir uns deshalb mit den Verkäufern hin und geben ihnen ihr Handwerkszeug mit. Ich glaube, gerade jetzt können wir vieles, was in den letzten Jahren schief gelaufen ist, wieder verändern. Ich kann mit Homeboy genau das machen, was mir vorschwebt und womit die Marke mit den Machern und Personen verschmilzt, die dahinter stehen und damit ihr Leben abbilden. Wo gibt es das denn heute noch?
Homeboy ist eine der ältesten Streetwearmarken der Welt. Es gab Stüssy, es gab Vision und dann habe ich 1988 mit Homeboy begonnen. Und bei Homeboy sagt jeder: „Mein Gott, diese Marke hat eine unglaubliche Historie“. Cypress Hill, Wu-Tang Clan, Fanta 4 und jede Menge Skater und Snowboarder, die früher für uns gefahren sind. Die sind ja alle noch da. Viele von denen, die wir früher kannten, sind auch heute noch in der Branche, haben dort ihren Platz gefunden. Ich habe vor zwei Jahren meinen Sohn mit auf die Bright genommen, da war er 21. Er war total begeistert von den Leuten, die wir dort getroffen haben. Ich wollte ihn provozieren und sagte: Das sind doch alles alte Männer. Er meinte „Vadder – das sind Helden.“

Witzig.
Ich habe auch erst gelacht, aber auch die junge Generation hat Begeisterung für die Typen von damals. Als wir jung waren, gab es keine alten Männer auf unseren Messen und auch keine in der Szene. Da waren alle jung. Die Alten waren alle uncool. Heute gibt es Alte, die immer noch drauf sind, wie in ihren Dreißigern. Ich höre dieselbe Musik, mache den gleichen Sport wie damals.

Was ziehst du daraus für Schlüsse für das Comeback von Homeboy?
Die Zielgruppe hat sich geändert. Früher waren die Streetwear-Kunden 14 bis 29 Jahre alt, laut meiner GfK-Studien Ende der Neunziger Jahre. Heute gehen die ganz Jungen zu den Fast-Fashion-Giganten und kaufen sich ein T-Shirt für 6,99 Euro, weil sie noch kein Bewusstsein für Qualität oder Marke haben. Mein Sohn ist jetzt 23, ich bin 55. Ich möchte also Kleidung für 23 bis 55-jährige machen, auf denen Homeboy draufsteht. Der Slogan dafür könnte lauten ‚Menswear for the Streetwear-Generation’. Das trifft dann für mich, ebenso wie für meinen Sohn zu.

Wird es ein neues Logo geben?
Jein. Wir nutzen das alte Logo, aber in einer modernisierten Version. So etwa wie der Jaguar E-Type von damals gegen den von heute. Außen auf der Kleidung wird das durchgestrichene ‚O’ in Homeboy, das eigentlich ein Phi ist, kommuniziert werden. Auch mit dem Claim ‚Loud Couture’ will ich arbeiten, für eine gehobenere Linie, zum Beispiel mit Kaschmirpullis, aber streetwearig.

Und welche Teile wird die Kollektion umfassen?
Hosen, Jacken, T-Shirts, Sweatshirts, Strick und Shorts. Hosen und Cargoshorts waren ja früher unsere Bestseller. Wir waren in Europa die ersten mit Workwear-Styles, da waren Carhartt oder Dickies hier noch nicht bekannt. Die weite Hosenform für Männer kehrt übrigens zurück. Der Skinny-Trend ist vorbei. Das spielt uns aktuell sehr in die Hände: Es geht in die Richtung ‚back to baggy’. 

Danke für das Gespräch.

Weitere Informationen unter www.homeboy.eu

 

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Tags: Homeboy, Jürgen Wolf
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POSTED by Barbara Russ at 12:00
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