Interview mit Shubhankar Ray, Global Brand Director G-Star

Montag, 04. Mai 2015
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Shubhankar Ray, Global Brand Director, G-Star

Shubhankar Ray ist nicht nur international bekannt für seine wegweisende Arbeit als Global Brand Director von G-Star, sowie als Marketing- und Imagestratege bei Caterpillar in den 1990ern und bei Camper in den 2000er Jahren, sondern auch für seine druckreifen Stellungnahmen in Interviews. J'N'C-Chefredakteurin Ilona Marx traf ihn zu einem Gespräch, in dem es neben G-Stars Engagement in Sachen Umweltschutz auch um brisante Themen wie Globalisierung, die grundlegende Veränderung des Marktes und die mögliche Rolle von Modelabels im Weltgeschehen ging. 


Erzähl mir von Deiner Arbeit am G-Star Raw for the Oceans Projekt mit Pharrell. Wie ist es, in diesen unbekannten Gewässern zu arbeiten?
Es ist eine Herausforderung, weil es ein so kompliziertes Projekt ist, an dem mehrere ‚Stakeholder’ beteiligt sind.
Ich kenne sonst kein Projekt dieser Art, an dem so viele verschiedene Parteien einen Anteil halten. Normalerweise besteht so eine Art Projekt aus nicht mehr als zwei verschiedenen Personen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen. Hier haben wir fünf Parteien: G-Star, Pharrell, Parley for the Oceans – eine Charity, die sich um die Reinigung der Ozeane kümmert, Voltex, ein Zusammenschluss aus NGOs, der für die Ozeanreinigung zuständig ist und dann noch Bionic, die das Garn produzieren und liefern. Und dann wird das Ganze noch ein wenig komplizierter, weil Pharrell einen 30%igen Anteil an Bionic hält. Pharell ist also die treibende Kraft und auf gewisse Weise das Gesicht der Kampagne, auch wenn er nicht in der Werbung auftaucht. Er ist zudem noch am Design beteiligt und Geschäftspartner von G-Star. Diese Art von Geschäftsbeziehung gab es vorher noch nie.

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Pharrell für G-Star Raw for the Oceans

Wie hast du Pharrell und Bionic kennen gelernt?
Wir haben sie auf der Bread & Butter in Berlin kennen gelernt und wurden von ihnen zu einigen Vorträgen der führenden Ozeanwissenschaftler der Welt eingeladen. Zuerst wollte Bionic Garne an G-Star verkaufen. Doch dann beschlossen wir, eine andere Art von Projekt ins Leben zu rufen, das im Grunde zum Ziel hatte, das erste Denimmaterial aus recyceltem Plastik herzustellen. Wir wollten Pharrell als Co-Designer einsetzen, weil er ein Typ mit Geschmack ist, der Kleidung liebt und wir ihn außerdem als ‚Katalysator’ ins Spiel bringen können. Darüber hinaus wollten wir ein System kreieren, in dem die Verkäufe gleichzeitig die Spenden generieren, die wiederum in die Reinigung des Ozeans fließen. Das ist schon ein ziemlich komplexes Projekt in der Umsetzung. Was G-Star betrifft, so hat das Projekt vollkommen den Fokus verschoben. Nachhaltigkeit ist jetzt der Mittelpunkt des Geschäfts, anstatt einer bloßen Verpflichtung. Erst vor ein paar Jahren, als wir uns das letzte Mal unterhielten, lag der Prozentanteil an nachhaltigem Material, das bei G-Star verwendet wurde, gerade einmal bei zwei Prozent. Jetzt liegt er bei 21. Das ist eine dramatische Neuausrichtung der gesamten Marke. Wir wollten echtes, nachhaltiges Design kreieren. Und für uns ist das Herstellen eines Produktes aus ‚post-consumer waste’, also bereits Weggeworfenem, das ultimative nachhaltige Design.

Kannst Du schon Zahlen dazu nennen, wie sich das Projekt positiv auf den Zustand der Ozeane auswirkt?
Wir haben eine grobe Schätzung zur ersten Kollektion, die Herbst/Winter 2014, die bereits im Handel zu kaufen war. Ihre positive Bilanz beläuft sich auf 700.000 Plastikflaschen, die wir aus dem Ozean geholt haben, das entspricht etwa 10.000 Tonnen Plastik. Der erste Container wurde an den Stränden von Indonesien und Bali gesammelt, für die nächste Kollektion wird das Rohmaterial in China gesammelt.

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Pharrell für G-Star Raw for the Oceans

Ihr habt wirklich viel erreicht in Sachen Umweltschutz. Denkst du, eine Fashion Brand kann ähnliche Veränderungen zum Beispiel bei politischen Problemen oder religiösen Spannungen bewirken?
Ich glaube, es ist sehr schwer für ein Modelabel, in diesem Bereich einen Kommentar abzugeben, insbesondere wenn es um religiösen Fundamentalismus geht. Wir können in Sachen Umweltschutz den Wandel bewirken, den wir auf der Welt sehen wollen, aber Politik und Religion stehen auf einem ganz anderen Blatt.

Werbung, ich denke beispielsweise an Benetton, kann aber eine solche Stellung beziehen.
Wir können das Produkt verändern und dadurch seine Auswirkung auf die Umwelt verbessern, aber wir sind nicht in der Position, uns in die Politik einzumischen. Es ist aber interessant, dass du Benetton erwähnst. Ich kenne Oliviero Toscani. Bevor ich bei Camper angefangen habe, wurde ich von Benetton angesprochen und traf ihn in La Fabrica. Ich erinnere mich noch daran, wie ich dachte, dass sie dort an einer kulturellen Brand arbeiten, nicht nur einer Fashion Brand. Sie beeinflussten die Kultur mit ihrem Magazin und mit ihren provokanten Aussagen und ich weiß noch, dass ich dachte, wie großartig das ist. Zusätzlich betrieben sie ein erfolgreiches, traditionelles italienisches Strickwarenunternehmen, ein Familienunternehmen, mit dem sie relativ simple Waren, wie zum Beispiel bunte Pullover, herstellten. Ich hielt das für ein ziemlich gutes Businessmodell. Das hat mich definitiv beeinflusst in dem, was ich anschließend als Konzept für Camper kreierte. Ich war dadurch offener für diese Art von Taktiken und sah Nachhaltigkeit mehr als Kern der Strategie, nicht mehr als Randerscheinung. Und jetzt, um Deine Frage zu beantworten: Ich glaube es gibt Marken in der Modebranche, bei denen das Produkt eine kulturelle Ikone ist. Mir fallen dazu genau zwei Produktgruppen ein, bei denen das so ist: Jeans und Sneaker. Wenn also jemand eine solche Brand hat, diese in eine eher kulturelle Brand transformieren kann, dann kann er auch bedeutungsvollen kulturellen Output erzeugen. In dieser Situation könnte man eine solche Stellungnahme zu Politik oder Religion beziehen.

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G-Star Raw for the Oceans

G-Star hat dafür doch das Potenzial. Was meinst Du?
Ja, aber wir positionieren uns neutral, was Politik angeht. Als ich Luciano Benetton und Oliviero Toscani kennenlernte, waren sie das nicht. Veneto, die Region in Italien, in der Benetton beheimatet ist, ist traditionell eine Arbeitergegend, weil es dort viele Fabriken gibt. Damit ist es auch eine Brutstätte für Sozialismus und kommunistische Ideen. Oliviero und Luciano hatten einen Standpunkt und sie verhielten sich nicht neutral. Daher konnten sie diese Probleme kommentieren.

Wer könnte heute solche Stellungen beziehen?
Ich denke, die Politik ist dem Branding sehr ähnlich. Die Regierungen der USA und Westeuropas haben ähnliche Branding-Modelle wie eine Marke. Wenn diese Regierungen, also beispielsweise eine Koalition aus Deutschland, UK und Frankreich, eine Instanz bilden würden, deren Hauptaufgabe es wäre, sich wie eine Marke zu verhalten, die aber kein physisches Produkt verkauft, sondern ein kulturelles, dann könnten sie diese Themen angehen und kommentieren. Das wäre die Art, es zu bewerkstelligen – in einer idealen Welt! (lacht)

Gut, dann wenden wir uns jetzt wieder der Mode zu (lacht). Die Mode wird zunehmend reifer und formeller, mit Anzügen für Herren und Damen. Wie antwortet G-Star auf diese Entwicklung?
Indem wir Denim die Treue halten. Es ist spannend, dass du das ansprichst. Denn ich sehe zwar diese Entwicklung, bemerke aber auch das genaue Gegenteil. Die großen, einflussreichen Luxuslabels drängen nämlich aktuell auch in den Denimmarkt. Schau Dir zum Beispiel Tom Ford an. Er ist vor allem erfolgreich mit Parfüms und Sonnenbrillen, jetzt launcht er auch Denim. Prada ebenso. Ich glaube Denim feiert gerade ein Comeback und weil es so universell ist, elektrisiert es den Markt auch für den Konsumenten.

Die Casual Brands machen jetzt also Anzüge und die High Fashion Brands Denim. Ist jeder auf der Suche nach dem Schlüssel zum Erfolg?
Ich glaube es liegt eher daran, dass es keine starren Grenzen mehr gibt. Früher gab es diese unausgesprochenen Grenzen, die die Marktsegmente voneinander trennten. Aber genauso wie die Globalisierung die Grenzen verwischt und alles sich heute viel freier in der Welt bewegt, übrigens auch der Terrorismus, genauso löst auch das Onlineshopping veraltete Grenzen auf.
Da ist es nur natürlich, dass der Markt für Produkte sich in ähnlicher Weise vermengt. Deshalb ist es legitim für ein Designerlabel, Jeans zu produzieren und für eine Denim Brand, Blazer herzustellen.

Und was hältst du von der Entwicklung, dass aktuell in der Haute Couture zunehmend Denim verwendet wird?
Denim kann auf allen Ebenen verwendet werden. Die Essenz von Denim ist für mich demokratisch; es ist auf der Straße zu Hause. Gelegentlich kann man ein demokratisches Material auf ein hohes Luxuslevel anheben, wenn man beispielsweise besondere Handwerkskunst einfließen lässt, etwas Künstlerisches, Handgemachtes. Dann kann man Denim in der Haute Couture nutzen. Das Material ist sehr flexibel, es kann in jeder Dimension existieren, selbst zusammen mit einem Smoking oder einem Abendkleid für den roten Teppich.

Als wir das letzte Mal sprachen, gemeinsam mit Pierre Morisset, dem Chefdesigner von G-Star, da sagte er, dass er von den Zwanziger Jahren fasziniert sei und wir sprachen auch über das Personalisieren von Jeans. Habt ihr diese Ideen weiter verfolgt?
Ja, für die kommende Saison liegt eines unserer Hauptaugenmerke auf dem Reparieren von Jeans. Das ist ja auch irgendwie Recycling. Wir nennen es ‚die Kunst des Flickens’ – an diesen Ideen, die du ansprichst, haben wir also schon indirekt weitergearbeitet.

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Pierre Morisset, Chefdesigner von G-Star 

Nach unserem letzten Gespräch hatte ich mehr 20er Jahre-Kleider erwartet! (lacht)
Ja, aber das Herz von G-Star ist Jeans. Daher müssen wir zuallererst Jeans und Jeanskultur meistern. Auch unsere DOB-Linie hat noch viel unausgeschöpftes Potenzial. Da müssen wir noch einiges an Arbeit hineinstecken, um unsere Damenmodelle weiter zu entwickeln. Das ist unsere erste Priorität. Wenn wir dann später ein paar 20er Jahre-Kleider machen können, ist das super. Das sind aber Akzente, nicht der Kern. Und zuerst müssen wir uns um die Hauptsachen kümmern.

Danke für das Gespräch.

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Tags: G-Star, Pharrell, Raw for the Oceans, Shubhankar Ray, Pierre Morisset, Bionic, Voltex
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POSTED by Barbara Russ at 15:53
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