Safia Minney / People Tree: Fair Fashion – Beweisen, dass es funktioniert

Samstag, 29. August 2015
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people tree

Safia Minney ist eine kleine Frau mit großen Visionen. Und überdimensionaler Energie. Immerhin hat sie damit in den vergangenen 25 Jahren ein Unternehmen mit Sitz in Japan und London aufgebaut, mit dem sie auf direktem Weg 5000 Menschen in Indien, Bangladesh und Nepal ernährt. Warum hat sie sich für diesen steinigen Weg entschieden, und was verspricht er für die Zukunft?

People Tree ist ein ausgezeichnetes Top-One-Fairtrade-Label. Was ist darunter zu verstehen?
Nach dem Fairtrade-Prinzip arbeitet People Tree mit wirtschaftlich benachteiligten Menschen. Diese leben in Dörfern mit kaum Infrastruktur, haben jedoch handwerkliche Fähigkeiten, die man nur noch selten findet und die wir absolut bewundern. Sie sind in der Lage, etwas zu schaffen, was einzigartig ist in der heutigen, normierten Modeindustrie. Auf der anderen Seite ist es eine große Herausforderung, mit diesen Leuten zu arbeiten, weil wir alle in der Industrie üblichen Abläufe vermitteln und teilweise neu denken müssen. Warum darf eine Länge, die wir auf hundert Zentimenter festgelegt haben, nicht auch mal hundertzwei sein? Diese Arbeit zu leisten in einer Branche, die immer schneller wird, kann mühsam sein. Auf der anderen Seite glauben wir daran, dass es in Zukunft zu unserem Vorteil sein wird, dass wir nach Fairtrade starke Bündnisse eingehen. Unsere Arbeiter besitzen ihre Arbeitsmittel. Sie haben direkten Zugang zum Markt und können sich mit der Expertise von People Tree und durch die fairen Preise, die wir zahlen, auf diesem Markt auch unabhängig bewähren. In konventionellen Fabriken machen Textilarbeiter den ganzen Tag immer dieselben, sehr einfachen Arbeiten, beispielsweise einen Ärmel. Unsere Arbeiter machen ein komplettes Kleidungsstück, was nicht nur kreativ ist, sondern es macht sie auch in ökonomischer Hinsicht stark. Weil sie so eben in der Lage sind, ein ganzes Kleidungsstück herzustellen.

Als Modelabel: Ist es ein Vorteil oder ein Nachteil, Fairtrade zu sein?
Gemessen an den produktionsbedingten Limitierungen und den höheren Kosten ist Fairtrade eindeutig ein Nachteil. Allein zehn Prozent des Gewinns geht in die Dörfer, die für uns arbeiten, für Löhne, Schulen und soziale Programme. Dann haben wir die Co2-Programme, die finanziert werden wollen und natürlich die höheren Kosten für unsere Biobaumwolle. Dass wir das können, macht unseren Erfolg aus. Leider ist diese Art von Erfolg noch nicht so populär. Betrachtet man jedoch die Arbeit des Designers und den Wert, den wir für den Konsumenten schaffen, sind wir klar im Vorteil. Gerade an den Designern merke ich, dass die Beschränkungen, die Fairtrade mitbringt, auch neue kreative Energien freisetzen. Das kann inspirierend sein. Und gerade unsere Handstickerei und die Handwebarbeiten sind für die Gestaltung unserer Kollektionen hochinspirierend. Das Designteam genießt diese spezielle und unübliche Herangehensweise. Auf der anderen Seite merken wir, dass unsere Kunden aufgrund unserer Integrität sehr treu sind.

Gibt es eine Erhebung, wie viele Ihrer Kunden sich über den Fairtrade-Hintergrund der Marke bewusst sind?
Unter unseren rund 200 Geschäften, die wir in Japan beliefern, und den um die 300 in Europa werden wahrscheinlich ein Drittel People Tree aus ästhetischen Gründen kaufen. Ein Drittel sind auf dem Weg zu einem ethischen Konsum-Lifestyle, und ein Drittel sind überzeugte Fairtrade-Händler.

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Fotos: Bernd Ott

People Tree feiert nächstes Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Wie hat sich der Markt seit der Gründung geändert?
Vor 25 Jahren haben wir sehr viel über Handwerk, Naturfärbung sowie Heritage geredet und die Frage gestellt, wie man alte handwerkliche Fähigkeiten erhalten kann. Japanische Kunden sind besonders qualitätsbewusst und waren schon zu damaligen Zeiten sehr an unserer Handarbeit interessiert. Mit der Zeit wurde die Kollektion immer anspruchsvoller. Als Pioniere haben wir lange an den Standards für Fairtrade-Kleidung gearbeitet. Aber diese Standards sind nutzlos, wenn man mit ihnen keine begehrliche Mode herstellt. Man isst ein Kleid nun einmal nicht. Hilfreich waren dabei Kollaborationen mit bekannten Designern und anderen Modegrößen, etwa der Vogue 2007, oder mit Emma Watson. Das half uns, neue Kunden zu finden und auch außerhalb des Fairtrade-Kontexts bekannt zu werden. Seit der Katastrophe von Rana Plaza bewegt sich jedoch viel. Leute möchten Transparenz, wollen politisch initiierte Veränderung und fordern von der Industrie ein Umdenken bezüglich fairer Löhne, und zwar jenseits von gesetzlichen Mindestlöhnen hin zu tatsächlich existenzsichernder Bezahlung. Ebenso bezüglich Umweltstandards. Das ist natürlich gut für uns.

Manche sagen, dass Storys wie die von People Tree nur ein Tropfen auf dem heißen Stein seien. Kann man das System wirklich auf diese Art ändern?
Natürlich sind wir klein, aber wir können beweisen, dass das Modell funktioniert. Wenn man mich fragt, ob wir es schaffen in den nächsten Jahren unser ausbeuterisches kapitalistischen System zu verändern, muss ich verneinen, aber wir dürfen doch deswegen nicht aufgeben. Es gibt eine Bewegung, auf die müssen wir uns konzentrieren. Und man sieht ja das Umdenken. Es gibt eine deutliche Empörung über Zustände in der Modeindustrie seitens der Öffentlichkeit, und die klare Forderung nach mehr Verantwortung der großen Auftraggeber gegenüber ihren Produzenten wird immer lauter. Die Politik muss darauf reagieren. Dafür müssen wir kämpfen.

Wie viel Verantwortung kann man denn als Unternehmen übernehmen? Beispielsweise bei solchen Katastrophen, wie gerade in Nepal, von der Ihr auch betroffen seid. Ihr lasst eure Strickwaren dort produzieren und habt eine Färberei vor Ort.
Oh, ich befürchte, wir hatten schon mehrere solcher Katastrophen. Vor vierzehn Jahren lag 70 Prozent von Bangladesch unter Wasser. Mehr als ein Drittel unserer Produzenten waren von dem Hochwasser betroffen. Glücklicherweise hatten sie bessere Behausungen, auch dank Fairtrade, sodass sich der Schaden im Vergleich zu anderen noch überschauen ließ. Damals haben wir unsere Kunden in Japan und Europa gebeten, uns zu helfen, indem sie Lieferengpässe und -verspätungen mitgetragen haben, sodass sie ihre Bestellungen nicht stornierten und teilweise bis zu drei Monate auf ihre Ware warteten. Dadurch konnten wir unseren Produzenten eine Perspektive geben. Das hat so viel Hoffnung gegeben. So gehen wir mit Nepal auch um. In solchen Fällen zahlen sich langfristige Partnerschaften aus. Und das ist unser Commitment und umso mehr jenes unserer Kunden und der Verbraucher. Ich kann nur empfehlen, sich jetzt umso mehr dafür zu interessieren, was eigentlich in Nepal produziert wird, und über den Konsum eine direkte Verbindung herzustellen.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

 
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Tags: people tree, safia minney, fair fashion
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POSTED by Fredericke Winkler at 00:00
 

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