Interview mit Astrid Heinze, General Manager ONYGO

Freitag, 02. Februar 2018
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Onygo.jpgAus J'N'C 1-2018 THE FUTURE OF FASHION RETAIL

Extra kreierte Düfte, eine kuratierte Playlist und subtiles Product Placement: Die Damenschuh-Kette Onygo setzt auf ein Shopping-Erlebnis für alle Sinne.

Die Frage, ob das digitale Shopping bald den Umsatz physischer Shops überflügeln wird, wird in den Medien derzeit immer wieder diskutiert und auch mit Zahlen unterfüttert. Dennoch sind die jeweiligen Experten uneins oder haben eine eigene Agenda. Was ist Ihre Meinung zum Thema?
Auch wenn der Online Handel immer stärker zu werden scheint und - zumindest gefühlt - gerade exponentiell wächst, gibt es meiner Meinung nach immer eine Daseinsberechtigung für den stationären Handel.
Aus meiner Sicht wird der stationäre Handel zukünftig nicht überflüssig sein, sondern stets an Relevanz behalten. Darüber hinaus wird er vielleicht sogar noch gestärkt, wenn er sich kontinuierlich weiterentwickelt. da der stationäre Kunde eher in ein Shoppingerlebnis eintaucht als bei einem reinen Onlinekauf. Die Phase der Umgestaltung im stationären Handel hat bereits begonnen. Zunächst noch langsam, aber auch diese Entwicklung wird exponentiell stattfinden.

Stichwort 'availability': Wie wichtig wird es in Zukunft für Hersteller, Labels und Retailer sein, mit ihren Produkten auf allen digitalen Kanälen vertreten zu sein? Welche Plattformen halten Sie für besonders unverzichtbar?
Kein Händler, kein Label oder Hersteller kann es sich heute noch leisten, nicht auf digitalen Kanälen vertreten zu sein. Der Kunde/in muss unbedingt frei in seiner/ihrer Entscheidung sein, wie und wo der Kauf getätigt wird.
Die großen Online-Plattformen wie Amazon, Zalando und der immer stärker in den europäischen Markt drängende Anbieter Ali Baba haben hier einen Entwicklungsfortschritt, den kaum ein durchschnittlicher Händler aufholen kann. Meiner Meinung nach sind Marketplaces das Online-Business der Zukunft.

Gegenfrage: Halten Sie es für möglich, dass Brands gerade dadurch einen Nimbus der Exklusivität erzeugen können, indem sie sich eben NICHT am digitalen Dauerfeuer beteiligen?
Niemals. Das mag romantisch klingen und auch super authentisch rüber kommen. Der Kunde/die Kundin hat allerdings längst entschieden, dass die digitale Welt in seinen/ihren Alltag gehört. Wer sich dem entziehen und dennoch Geld verdienen will, ist leider einfach naiv.

Um Emotionen zu erzeugen ist oft vom „storytelling“ die Rede, und auch bei der POS-Präsentation von Produkten gilt 'storytelling' als wichtiges Stichwort . Was halten Sie davon?
Storytelling ist ein wichtiger Bestandteil des Kauferlebnisses. Relevanz, Timing und Storytelling sind die drei wichtigsten Komponenten für erfolgreiche Produkte. Kauferlebnis und Preis sind dem nachgelagert, aber dennoch natürlich sehr wichtig.

Ein weiteres Schlagwort ist 'experience' - welche neuen Register kann man ziehen, um ein anregendes Ambiente zu schaffen und Shopping zum Erlebnis oder sogar zum Abenteuer zu machen? Wie sehen Sie generell die Zukunft des POS?
Bei ONYGO haben wir uns dem Kauferlebnis mit allen Sinnen verschrieben. Zum Produkt gehört ein Ambiente, das für unsere Zielkundin sehr ansprechend ist. Ebenfalls die Produktplatzierung, eine eigens entworfene Playlist und unser eigener Raumduft. Stimmige, aufeinander abgestimmte Ladenbauelemente ergänzen den Gesamteindruck. Alles für sich allein wirkt subtil, dringt aber dennoch zur Kundin durch. Das Feedback unserer Kundinnen ist überwältigend.

Pop Up Stores gelten als gute Möglichkeit Standorte auszutesten, Event-Charakter zu erzeugen und Kunden zu gewinnen, denen gewisse Labels und Produkte bisher unbekannt waren. Lohnt sich der Aufwand?
Wenn man es richtig macht und ein Shopping-Highlight setzen will, auf jeden Fall. Jedoch hält das alleinige Erlebnis nicht lange nach. Man benötigt unbedingt ein anhaltendes 'Grundrauschen', um sich mittel- und langfristig zu positionieren.

Große Themen unserer Zeit sind Nachhaltigkeit, Fair Trade und Sustainabilyty. Wie wichtig sind den Kunden derzeit diese Aspekte? Sind Kunden bereit, für ein gutes Gewissen und 'the greater good' Mehrkosten in Kauf zu nehmen? Wie schätzen Sie die Entwicklung dieser Aspekte ein?
Das ist sehr alters- und einkommensabhängig. Jeder Befragte wird sagen, dass ihr oder ihm Nachhaltigkeit sehr wichtig ist und dafür höhere Kosten in Kauf genommen werden würden. Die Realität zeigt allerdings, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen in Deutschland bereit ist, dafür tatsächlich mehr zu zahlen. Also ein Lippenbekenntnis, leider …Wie kann man sich sonst den durchschlagenden Erfolg mancher Händler, die unter fragwürdigen Bedingungen produzieren und verkaufen, erklären? Oft hört man, dass Bio-Produkte teurer sind als nötig. Das trägt leider nicht dazu bei, beim Verbraucher mehr Vertrauen und Aufmerksamkeit zu schaffen, da er sich oft übervorteilt fühlt.
Dennoch wird die Nachhaltigkeit aller Produkte immer wichtiger. Aufklärung und konsequentes Handeln sind dringend nötig, um den Mindset der Kunden zu lenken.

Influencer haben in letzter Zeit an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Wie sehen Sie die Zukunft des Influencer Marketing?
Wir alle lassen uns inspirieren. Von wem, entscheiden wir natürlich selbst. Ausgewählte (Micro-) Influencer sind ein sehr authentisches Marketingtool.

Apps, Games, Bonusprogramme, Events, Kunden-Service und -Feedback, soziales Engagement: Welche Werkzeuge zur Kundenbindung (und im Zuge dessen auch der Datenerhebung) werden in Zukunft relevant sein?
Die Möglichkeit zur Mitgestaltung und Selbstbestimmung ist bei den meisten Menschen sehr beliebt und gewünscht. Alle Werkzeuge zur Kundenbindung sind relevant, die sinnvoll und mit dem Kunden im Fokus eigesetzt werden. Mit den Möglichkeiten zur Datenerhebung seitens des Unternehmens sollte man transparent sein. Jeder Kunde weiß heute, dass hauptsächlich mit persönlichen Daten gearbeitet wird. Das hat auch viele Vorteile für den Kunden. Dessen sind sich viele Menschen bewusst, wollen aber selbst entscheiden, wann das „Maß voll ist.“

Mobile Shopping – das Handy als shopping tool: Innovationen wie etwa Bluetooth Beacons bauen eine Brücke zwischen physischem und digitalem Shopping. Was halten Sie von diesem zweigleisigen System?
Viele Kunden machen keinen Unterschied zwischen digitalem und physischem Shoppen. Beides wird je nach Bedarf oft gleichermaßen eingesetzt. Daher ist es nötig, diese Schnittstellen einfacher zu gestalten und zu optimieren. Mobile Shopping macht schon heute einen hohen Anteil des Online Shoppings aus. Die Tendenz ist stark steigend.

Das Label Bonobos experimentiert derzeit mit Shops, in denen jedes Kleidungsstück nur einmal pro Größe vorhanden ist. Mit Voranmeldung kann sich der Kunde beraten und sich verschiedene Styles zusammenstellen lassen. Die ausgesuchten Produkte werden innerhalb von zwei Tagen kostenlos versandt. Auch die US-Firma Nordstrom hat ein Konzept entwickelt, das Online-Einkauf und physisches Shopping-Erlebnis vereint, in dem online gekaufte Waren im Shop abgeholt, anprobiert und bei Bedarf auch gleich vor Ort geändert werden können. Was halten Sie von diesen 'Hybrid-Verkaufsmodellen'?
Diese Ideen und Pilotmodelle gibt es seit einigen Jahren immer wieder. Grundsätzlich finde ich sie interessant, jedoch hat noch keines eine wirkliche Win-Win-Situation geschaffen. Welchen Vorteil hat ein Kunde davon, wenn er sich vor der Beratung anmelden und dann noch zwei Tage auf die Ware warten muss? Spontankäufe sind somit ausgeschlossen. Kunden, die sich für das Shoppen im Geschäft entschieden haben, wollen die Sachen meist ohne Wartezeit sofort haben. Ein Mehrwert wäre, wenn die Ware schneller beim Kunden zu Hause ist, als er selbst. Eine logistische Lösung würde hier den Mehrwert für den Kunden schaffen und ihm/ihr zum Beispiel das Tüten tragen abnehmen.
'Click & Collect' gibt es ebenfalls mit verschiedenen Services. Das Anprobieren im Shop, evtl. Ändern lassen oder aber auch einfach die sofortige Rückgabe im Geschäft kann für einige Kunden einen Mehrwert darstellen. Allerdings ist einer der großen Vorteile des Online-Kaufs, dass man sich gar nicht erst aus dem Haus bewegen muss. Erfahrungsgemäß machen eher wenige Kunden Gebrauch von 'Click & Collect'-Services.

Masse statt Klasse oder Klasse statt Masse - sind die Modelle des klassischen Einzelhandels auch auf Online-Shops anwendbar? Sind kuratierte Online-Shops die Zukunft oder eher Amazon &Co.?
Siehe oben bzgl. Frage zu Marketplaces

Customizing, in-house-tailoring, virtual dressing room - wie schätzen Sie die Relevanz von in-store Zusatzleistungen in der Zukunft ein?
Diese Zusatzleistungen geben dem stationären Handel ein Beinahe-Alleinstellungsmerkmal. Diese Services können entscheidend dazu beitragen, welche Händler mittel- und langfristig auch stationär weiterhin erfolgreich sein werden. Wie offensichtlich oder auch subtil diese eingesetzt werden, ist stark Zielgruppen-abhängig.

Personal Shopper, Personal Stylist, Boxen-Service - wird sich die personalisierte Stylingberatung auf Dauer durchsetzen?
Siehe oben Frage bzgl. Zusatzleistungen. Für mich sind diese beiden Fragen eigentlich eine.

Auf den ersten Blick unkonventionelle Collaborations (z.B. Louis Vuitton x Supreme) und interdisziplinäre Crossovers (Von Jungfeld x Sony) sind gerade groß im Trend - befruchten sich die Brands dabei grundsätzlich gegenseitig, oder kann sich auch ein negativer Effekt einstellen? Was sollte man bei der Auswahl von Kooperationspartnern beachten?
Diese „Stilbrüche“ sind eine wirkliche Bereicherung sowohl für die Brands als auch die Fashionwelt.
Designermode und-Accessoires wurden auf einmal „straßentauglich“. Noch nie gab es so viele junge Frauen im Straßenbild, die täglich eine Vintage Chanel Boy Bag tragen. Den Anstieg der Umsätze kann ich nur erahnen. Ebenfalls bekommen Streetwear-Brands sozusagen einen Ritterschlag im Bereich Fashion.
Es gibt so viele neue und interessante Kombinationsmöglichkeiten. Man kombiniert High Heels mit Trackpants, bulky Sneaker zum Kleid, usw. Eine wirklich tolle Entwicklung, die wir noch lange begleiten werden.
Bei der Auswahl der Kooperationspartner muss man seine Kunden übereinanderlegen, Ziele müssen zusammenpassen usw. Wenn eine Win-Win-Situation für beide Partner geschaffen wird, hat man die richtige Wahl getroffen.

Was war Ihr persönliches Top-Shoppingerlebnis / welchen Shop lieben Sie, und warum?
In meiner alten Nachbarschaft hatte vor mehreren Jahren ein Café mit integriertem Shop eröffnet. Das Café hat ca. 2/3 und der Shop ca. 1/3 des gesamten Bereiches ausgemacht. Beides war so stimmig in Ladenbau, Sortiment und Atmosphäre und die Angestellten haben dem Café Leben eingehaucht – das hat mich nachhaltig beeindruckt! Mittlerweile gibt es solche Modelle natürlich viel häufiger, aber zu diesem Zeitpunkt war es eben sehr speziell.
Diesen besonderen Effekt bzw. diese außergewöhnliche Wirkung konnte ich bei mir persönlich tatsächlich nur noch einmal feststellen: mit der Eröffnung unserer 24 ONYGO Stores. Jeder einzelne Laden versetzt mich mit seiner Liebe zum Detail, der interessierten Kundin im Fokus, dem jungen und individuellen Team und einem wirklich durchdachten Konzept in Begeisterung. Meine Augen leuchten noch immer, wenn ich einen ONYGO Laden betrete – und das hat nicht nur etwas damit zu tun, als leitendes Firmenmitglied zum Erfolg beizutragen sondern auch als Shopping- und Schuh-affine Frau auf einer emotionalen Ebene angesprochen zu werden. Das findet man heutzutage eher selten.

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POSTED by Cloat Gerold & Thorsten Osterberger at 00:00
 

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