Starstyling „Solange man kopiert wird, ist man gut“

Freitag, 15. November 2013
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Starstyling 'FUCK THE MINIMAL SS14 – PREVIEW'

Das Modelabel Starstyling lässt sich nicht in Schubladen stecken und ist doch von Beginn an seinem grafisch-humorvollen Stil treu geblieben. J'N'C-Redakteurin Magdalena Piotrowski sprach mit den beiden Gründern Katja Schlegel und Kai Seifried über das Verhältnis zwischen Mode und Kunst, über Ideenklau und die Frage, warum Starstyling als typisches Berlin-Label gilt, obwohl man nicht auf Understatement setzt.

Wie definiert Ihr den Stil und die Philosophie von Starstyling?
Katja: Starstyling ist ein Modelabel mit sehr breit gefächertem Angebot und viel Humor, das nicht speziell im Fashionkontext steht. Bei uns gibt es auch Geschirrtücher, Bettwäsche, Kopfkissen – generell viele Accessoires. Starstyling bietet Herren-, Damen- und Unisex-Produkte. Und wir machen ab und zu kleine Performances oder Aktionen vor dem Laden auf der Straße. Wir haben auch eine Kunstfigur erschaffen, die nennt sich Hologhost, ist aus 3D-Holofolie und geistert durch die Städte Europas. Die war auch schon in Israel auf einer Kunstausstellung und ist in Berlin über die Fashion Week gelaufen. Und wir waren dieses Jahr bei der Olympus Photography Playground-Ausstellung in den Berliner Opernwerkstätten mit einer Installation vertreten.

Kai: Was kein Zufall war, denn wir kommen nicht vom klassischen Modedesign, sondern vom Theater- und Bühnenbild. Und das zeigt sich auch in der Kleidung, die wir machen.

Wie definiert Ihr das Verhältnis von Mode und Kunst? Ist Kunst Mode oder ist Mode Kunst?
Katja: Die bildende Kunst genießt großen Respekt. Es ist insofern verständlich, dass sich die Kunst gegen die Mode wehrt und von ihr abgrenzt. Aber ich glaube, dass man das alles nicht so ernst nehmen darf, da muss man offener sein, humorvoller. Ich selbst habe nicht den Eindruck, dass die Mode, die wir machen, den Titel ‚Kunst‘ verdient. Wobei es schon Anleihen und Überschneidungen gibt. Wir haben auch viele Künstler als Kunden. Leider gibt es viele Modedesigner, die Kunst auf ungeschickte Weise zitieren. Das kommt dann geschmäcklerisch, oft dekorativ daher und tut dem Ganzen nicht gut. Eine ernsthafte Auseinandersetzung findet nur bei wenigen statt.

Ihr habt Starstyling 2000 gegründet. Bekannt wurdet Ihr mit grafischen Prints und ungewöhnlichen Materialien, expressiven Motiven und Farben. 2005 folgten die ersten kompletten Kollektionen. Während die Mode vieler Designer mit den Jahren immer tragbarer wird, bleibt Ihr Eurem Stil konsequent treu. Geht das in dieser Zeit ökonomischer Zwänge?
Kai: Ja, wenn man sich mit wenig zufrieden gibt, schon.. lacht. Wir leben von unserer Arbeit, und wir können das tun, was wir wollen. Das ist der große Pluspunkt. Wir haben durch dieses Durchhaltevermögen auch ein Alleinstellungsmerkmal, das uns keiner so schnell nehmen kann.

Katja: Natürlich machen wir auch eine Analyse: Was verkauft sich gut. Was nicht so gut. Das darf man sich angucken, aber ich muss das anschließend ganz schnell vergessen und wegschieben, sonst bin ich zu sehr blockiert im Kopf. Wenn ich zu sehr auf Kundenwünsche eingehe, klappt es bei mir nicht. Da muss ich mich von freimachen. Außerdem wird sich die momentane Sommerkollektion nächstes Jahr sowieso weitaus besser verkaufen als dieses Jahr.

Verkauft Ihr eine Kollektion denn über mehrere Saisons?
Kai: Genau so ist es. Bei uns läuft das so: Wir zeigen unsere Sachen, dann laufen alle drumherum, und einen Sommer später verkaufen wir die Sachen viel besser. Außerdem gibt es Klassiker bei uns im Laden, wie unsere handbemalten Fransen. Die tauchen immer wieder auf, von der kleinen Kette bis zum kompletten Kleid. Die Franse ist ein Dauerbrenner, die wir immer wieder in anderen Farbvarianten anbieten – und anscheinend in einer außergewöhnlich hohen Qualität. Wir wurden sogar schon mal von einem Modeprofessor angesprochen, der wissen wollte, wo wir produzieren und wo wir die Zutaten kaufen. Und, um noch einmal auf den saisonalen Vorsprung zurückzukommen… Wir sind manchmal auch schon vier Jahre voraus gewesen. Topshop hat letztes Jahr etwas von uns geklaut, das ursprünglich von 2008 war. Da dachte ich: Hä? Wo sind denn deren Trendscouts unterwegs. Das ist doch schon voll alt, warum machen die das erst jetzt?

Geht Ihr denn gegen Ideenklau vor?
Kai: Nicht wirklich. Wir haben es einmal probiert. Das muss einem schon Spaß machen, sich auf der rechtlichen Ebene mit Leuten auseinanderzusetzen. Denn, wie heißt es so schön? Recht hat mit Gerechtigkeit meistens gar nichts zu tun. Dieser Brocken ist schwerer zu schlucken, als zu sagen: „Dann klaut’s halt und verkauft’s.“.

Katja: Wir hatten die Idee, so etwas anzuprangern, indem wir im Webshop den Link zur qualitativ miesen, billigen Kopie neben das Original stellen. Mit dem Zusatz: „Wollt ihr das echte Starstyling oder die billige Kopie?“. Das haben wir dann aber doch nicht gemacht. Es gibt den Starstyling-Fan, der auf das echte Starstyling abfährt. Und dann gibt es auch den Teenie, der das Geld nicht hat, weil unsere Sachen schon teuer sind, und der dann die Topshop- oder Asos-Version kauft. Aber solange man kopiert wird, ist man gut.

Ihr shootet im Berliner Club Cookies, Eure H/W-Kollektion 13/14 trägt den Titel ‚Agropolis‘. Keine Frage, Eure Mode ist sehr urban und Berlin-connected. Wie schätzt Ihr die Entwicklung von Berlin als Modestadt ein?
Kai: Sehr jeanslastig. Wenn es um Modemessen geht, verbinden alle Berlin mit der Bread & Butter. Aber die Bread & Butter bedient nur ein Segment, da gehen die Jeansladenbesitzer hin. Die ganzen Berliner Designer, die vor allem in Paris verkaufen, die haben ihre Kollektion zu diesem frühen Termin noch gar nicht fertig. Sie zeigen diese dann in kleinen Showrooms, aber eigentlich gibt es keine Einkäufer, weil der Termin dominiert wird von der großen Messe Bread & Butter. Die Messebesucher bringen zwar Umsatz, indem sie auch bei Berliner Designern einkaufen, aber das spielt sich größtenteils abseits der Messe ab.

Katja: Was das Design angeht, den Spirit... Ich finde, da gibt es in Berlin wenige, die eine richtige Handschrift haben. Das ist alles so ähnlich reduziert, aber dann auch ein bisschen unausgefeilt. Wenn man sich Pariser Laufstege anschaut, sieht man, dass dort alles richtig auf den Punkt gebracht wurde. Die Hosenlänge, der Sitz, und auch die Models sind besser. Selbst eigene Schuhe entwerfen die Labels. Und in Berlin fehlt es oft an der einen oder anderen Ecke. Auch an der Schnitttechnik, und gerade bei den reduzierten Sachen sind solche Dinge wie Länge und Sitz doch extrem wichtig. Dieser reduzierte Stil ist ja eine deutsche Erfindung, man denke nur an Jil Sander. Und er hat absolut seine Berechtigung. Da ist Berlin auf dem richtigen Weg, nur muss es einfach besser werden.

Kai: Wir allerdings verstehen uns nicht als die typischen Berliner Designer, obwohl wir als diese gehandelt werden. Und zwar interessanterweise gerade weil unsere Sachen nicht reduziert sind, und Berlin ja als verrückt und als einzige große Party gilt. Aber, mal ehrlich, die echten Partypeople, die hierher kommen, geben ihr Geld lieber fürs Berghain aus. Wenn die in unserem Laden stehen, hören wir Sachen wie: „Kann ich nicht 80 Prozent Rabatt kriegen? Sonst kann ich mir das nicht leisten.“. Wirklich kauffreudig sind andere, wie koreanische Topsänger oder chinesischen Superstars, die in Asien die Läden leer kaufen.

Ist denn der asiatische Popstar der typische Starstyling-Käufer?
Kai: Der typische Starstyling-Käufer ist eher der Musiker, der DJ, der Künstler, der Galerist – und tatsächlich sind unter unseren Kunden auch viele Stars. Nomen est omen, könnte man meinen, obwohl der Name Starstyling ursprünglich gar nicht mit irgendeinem Celebrity-Gedanken verbunden war. Der ist von der einer Pizzaschachtel inspiriert, mit dem Schriftzug ‚Star Pizza‘.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

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Kai Seifried und Katja Schlegel von Starstyling mit Model Jo-Anna Flavia Schmidt

 

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Starstyling 'Fuck the Minimal' S/S 2014 PREVIEW / Foto: STARSTYLING

 

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Starstyling 'Fuck the Minimal' S/S 2014 PREVIEW / Foto: STARSTYLING

 

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Starstyling 'Fuck the Minimal' S/S 2014 PREVIEW / Foto: STARSTYLING

 

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Tags: starstyling, interview
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POSTED by Magdalena Piotrowski at 15:28
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