Interview: Bent Angelo Jensen, Herr von Eden

Wednesday, 24 June 2015
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HvE X MUEHLE

2013 meldete der Hamburger Designer Bent Angelo Jensen mit seinem Label Herr von Eden Insolvenz an und sorgte damit deutschlandweit für Schlagzeilen. Seit einem Jahr ist das Unternehmen vom Insolvenzverwalter freigegeben und Jensen führt wieder die Geschäfte. Die Insolvenz, so sagt er heute, habe dem Label geholfen, zurück auf Kurs zu kommen. J'N'C traf den dänischstämmigen Modemacher in seinem Laden in Köln und sprach mit ihm über seine Erfahrungen vor, während und nach der Insolvenz, über seine Definition von Männlichkeit und die Staatsschuldenkrise in Griechenland. 

Wie geht es dir heute?

Danke, mir geht es recht gut. Ich freue mich auf die heutige Veranstaltung hier im Kölner HvE Laden zum ‚Le Bloc’ Festival und insbesondere auf den Launch des brandneuen ‚Shaving Culture’ Projekts. Das ist ein Rasierset, das ich in Zusammenarbeit mit der Firma Mühle in den letzten Monaten entwickelt habe. Das fühlt sich gerade an wie eine kleine Geburt (lacht).
Darüber hinaus freue ich mich, dass wir der Kölner HvE Filiale zum zehnjährigen Jubiläum neues Leben einhauchen konnten. Wir haben neues Personal anstellen und einarbeiten können und dem Laden ein Makeover verpasst. In Kürze haben wir hier im Laden auch eine Kooperation mit The Qvest geplant, es bleibt also spannend. 

HvE Laden Köln

 

Seit einem Jahr bist du nach der Insolvenz deines Unternehmens wieder ‚Herr im Haus’. Man hört ja selten die ganze Geschichte, wenn so etwas passiert. Würdest du uns erzählen wie es zu der Insolvenz kam und was du daraus gelernt hast?

Im Prinzip hatten wir einen klassischen Fall: Herr von Eden ist zu schnell gewachsen und existenziell wichtige, interne Strukturen haben dabei nicht in gleichem Maße an Festigkeit gewonnen, um dieses Wachstum zu tragen. Dann gab es einige Fehlentscheidungen meinerseits, sei es das Forcieren der HvE Damenkollektion oder der Zeitpunkt und die Umsetzung des Standortes in München, die beide nicht so funktioniert haben wie erhofft. Das Sortiment war mit einer Schmuckkollektion, einer Parfümlinie, einer Schuhkollektion, Strickwaren und Jeans zu breit aufgestellt. Das war alles zu viel für dieses junge Unternehmen. Zu viele Ideen und Träume – zu wenig konkretes Finishing.
Dann kamen noch entscheidende äußere Umstände hinzu. Mein Hauptlieferant in Tschechien, O.P. Pro Fashion, bei dem ich acht Jahre lang all meine Anzüge, Sakkos und Mäntel hatte produzieren lassen, raste selbst in Insolvenz. Für mich hatte das schlimme Folgen. Ich hatte gerade saisonal rund 2,000 Anzüge produzieren lassen, die hingen dort fertig zur Auslieferung. Jedoch stellte der designierte Insolvenzverwalter von einem Tag zum anderen von einem eingespielten Kommissionsgeschäft auf Vorkasse um. Ein sehr heftiger Schlag, meine Hauptwarenversorgung war plötzlich gekappt.
Kurz zusammengefasst: Rasantes Wachstum - ich hatte sechs Standorte und 35 Mitarbeiter - ich musste 200,000 Euro Umsatz monatlich erwirtschaften damit sich alles trägt, gar kein Controlling, ein zu breites Sortiment, ein zu großer ‚Overhead’, schwerwiegende äußere Einwirkungen und interne Fehlentscheidungen – das alles hat mich mit der Zeit in die Knie gezwungen. Die letzten zwei Jahre vor der Insolvenzanmeldung waren im Grunde schon heftig. Ich habe nach dem „Gießkannenprinzip“ versucht die Gläubiger bei Laune zu halten, aber die ‚Einschläge’ kamen immer näher: böse Briefe, Kontopfändungen. Schließlich habe ich dann, vor exakt zwei Jahren, „die Flucht nach vorne“ angetreten und Insolvenz angemeldet.
Das waren nun die zwei lehrreichsten Jahre meines bisher 20 jährigen selbstständigen Berufslebens.

Inwiefern?

Mit einem kleinen, kompetenten Kernteam und unter der konservativen Führung des Insolvenzverwalters haben wir es geschafft, das Unternehmen wieder auf einen gesunden Wachstumskurs zu bringen. Im Zuge einer umfassenden Restrukturierung haben wir alles abgeschlagen, was defizitär war. Wir haben uns auf drei Standorte konzentriert: Hamburg, Berlin und Köln. Das sind aktuelle die Standorte, die schwarze Zahlen schreiben – und heute zum Glück mehr denn je.
Wir haben das Sortiment gestrafft und ein funktionierendes Controlling eingeführt. Jeder Artikel wird ausgewertet, die Abverkäufe werden wöchentlich kontrolliert und wenn etwas gut läuft, wird nachbestellt. Die Zusammenarbeit mit den Lieferanten ist hierzu auch ganz neu aufgestellt. Insgesamt also weniger Risiko, mehrere, kleinere Lieferungen und weniger Kapitalbindung. Darüber hinaus haben wir die Maßkonfektion eingeführt, für ausgefallene Kundenwünsche und die Randgrößen bieten wir diesen Service jetzt sehr erfolgreich an.
Diese umfassende Restrukturierung hat das Unternehmen wieder in gutes Fahrwasser gebracht. Es waren zwei harte Jahre vor der Insolvenz, dann zwei anstrengende Jahre während der Insolvenz und jetzt macht das große Ganze wieder Sinn und vor Allem wieder Spaß, aus dem sich wiederum wertvolle neue Energien freisetzen lassen.

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Das Motto des Events heute ist ‚Bart Ab! - Shaving Culture’. Die Rasur könnte man ja als DAS Männlichkeitsritual bezeichnen, einen letzte Bastion der Maskulinität. Was ist deine Definition von Männlichkeit?

Männlichkeit hat für mich weniger etwas mit einem Bart zu tun, auch wenn viele junge Männer das heute voller Stolz mit Vollbart so zu sehen scheinen. Für mich ist Männlichkeit eine Haltungssache, ein Anspruch an sich selbst, an sein Verhalten, das Leben mit seinen Aufgaben auf eine gewisse Weise zu Leben. Haltung drückt das wohl am besten aus; man könnte auch sagen besondere Aufmerksamkeit seiner Umwelt und sich selbst gegenüber.
Ich glaube, Männlichkeit ist ein lebenslanger Lernprozess, der einen immer männlicher werden lassen kann. Ich finde kaum etwas männlicher als ältere Herren, bei denen das Leben seine Spuren hinterlassen hat, das Gesicht viele Falten bekommen hat, das Haar grau geworden ist. Lebenserfahrung ist Männlichkeit und das ist sexy!

Deine Anzüge weisen ja zum Teil auch recht feminine Züge auf, wie gehen deine Kunden damit um? Kommen sie vielleicht gerade deshalb?

Tatsächlich kommen die meisten unserer Kunden bisher vorrangig wegen unserer Anzüge. Wir bieten aber natürlich auch andere Kleidungsstücke an: Mäntel, Hemden, diverse Accessoires. Wir sind halt bekannt für den ganz besonderen Anzug. Besonders ist er deshalb, weil er klassischer und zeitloser ist, als das was der Markt sonst bietet. Männlichkeit und Weiblichkeit treffen im Anzug aufeinander. Wenn man beispielsweise an die großen Hollywoodlegenden der 20er bis 50er Jahre denkt, oder an Marlene Dietrich im Herrenanzug, damals war die Herrenmode so feminin wie nie: hohe Taillen, weite Hosen, körpernahe Jacketts.
Die Silhouetten werden erst richtig interessant, wenn mit den Geschlechterrollen gespielt wird. Attraktiv wird das Maskuline doch erst dann, wenn Mann auch Mut zu seiner Weiblichkeit zeigt.

Würdest du deinen Markt als einen Nischenmarkt bezeichnen?
Ja, auf jeden Fall. Doch die Nische wird zum Glück immer größer. Es fing bei Herr von Eden immer mit Musikern an, die sich berufsbedingt etwas mehr trauen, ein Outfit für die Bühne suchten und den „independent“-Gedanken schätzen und deshalb HvE gegenüber den üblichen, global erfolgreichen, Marken vorziehen. Nach den Musikern kamen Schauspieler, bildende Künstler, dann auch Journalisten, Werber, Anwälte und inzwischen ist das Kundenprofil schon recht breit gefächert. Ich finde es oftmals schade, dass viele Kunden ihre Herr von Eden Anzüge und Looks nur selten und zu besonderen, zu festlichen Anlässen tragen. Im HvE Team sind die meisten im Alltag so gekleidet, wie unsere Kunden heiraten. Zu viele Kunden gönnen sich das zu selten, den HvE-Stil zu leben. Unsere Kleidung ist durchaus alltagskompatibel!

Wo geht es als nächstes hin, hast du Expansionspläne?

Großhandel ist natürlich ein Traum von mir. Aber dafür muss derzeit das Fundament noch gegossen werden und aushärten. In der Insolvenz war dafür natürlich nicht der richtige Zeitpunkt. Jetzt, wo die Insolvenz nahezu abgeschlossen ist, befasse ich mich langsam damit.
Ich habe als ambitioniertes Ziel, 2016 den Großhandel vom Stapel laufen zu lassen. Vorerst national, bzw. im deutschsprachigen Raum. Japan ist aber auch ein überaus interessanter Markt und es gibt dort schon Händler, die nur darauf warten, dass sie von mir beliefert werden können! Des Weiteren plane ich, 2016 in London einen eigenen kleinen Standort zu eröffnen. Dazu möchte ich dann selbst vor Ort sein und mit der Internationalisierung von Herr von Eden beginnen.
„Make it global!“ – wie mein Onkel immer sagt.

Du hast die Insolvenz jetzt hinter Dir und bist damit um eine Erfahrung reicher. Momentan werden die Nachrichten von der Staatsschuldenkrise Griechenlands beherrscht. Aus deiner eigenen Erfahrung als Schuldner, wie würdest du mit der Situation umgehen?

Ich möchte und muss leider anmerken, dass ich hierzu einfach nicht ausreichend informiert bin, alldieweil ich mich seit 2 Jahren primär mit meiner eigenen Restrukturierung beschäftige. Mein „gefährliches Halbwissen“ und persönliche Erfahrung sagen mir aber, man solle Griechenland keinesfalls an die ganz kurze Leine nehmen. Natürlich haben „die Griechen“ zu diesem bevorstehenden Staatsbankrott beigetragen. Doch ganz sicher wurden auch andere Weichen falsch gestellt.
Ich würde es wie eine reflektierte Erziehung eines jungen Menschen versuchen. Frage dabei: mit welchen Konzepten kann sich dieser junge und noch etwas orientierungslose Mensch zu einer mündigen und sozial verantwortungsvollen Person entwickeln, erwachsen – wovon alle profitieren. Das funktioniert meiner Meinung nach weder mit eiserner Strenge noch mit einer völlig antiautoritären Erziehung. Das Optimum liegt irgendwo in der Mitte: einen Teil der Schulden erlassen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Informationen:
www.herrvoneden.com

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Tags: Herr von Eden, Bent Angelo Jensen, Interview
Interviews
POSTED by Barbara Russ at 15:52
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