Tim Keding/Shoepassion: "Aus unserer Perspektive gibt es kein ,Online vs. Offline'"

Friday, 04 September 2015
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shoepassion beding
Tim Keding, Geschäftsführer von Shoepassion.com

Vom Online-Handel zum erfolgreichen stationären Filialisten in weniger als zehn Jahren, das ist, kurz zusammengefasst, die Erfolgsgeschichte von Shoepassion.com. Hinter dem Unternehmen stehen die Henry Bökemeier, Björn Henning und Tim Keding. Mit Letzterem haben wir über seine ungewöhnliche Karriere also Online-Schuhhändler, über die ursprüngliche Motivation hinter der Gründung und die Lehren aus On-und Offlinehandel gesprochen. 

Wie kamst Du auf die Idee, einen Schuhshop für Männer - und dann auch noch online - aufzubauen?
Gute Lederschuhe waren immer meine Leidenschaft. Ich hatte damals schon eine größere Schuhsammlung als meine jeweilige Freundin und erntete dementsprechend neidische Blicke (lacht). Als ich dann 2007/2008 zu einem Auslandsstudienjahr in den USA lebte, bekam ich dort mit, wie selbstverständlich die Leute Schuhe online bei Zappos (damals der größte Online-Schuhhändler) shoppten – in Deutschland noch undenkbar. 
"Für mich war das eine aufregende Zeit, da ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland zunächst "Absolventa - Die Jobbörse für Akademiker" mit aufbaute. Darüber hinaus hatte ich bereits schon einige Gründungen hinter mir, aber ein international tätiges Unternehmen zu gründen, war ein Traum von mir." 
Die Schuhleidenschaft teilte ich Henry Bökemeier, einem Jugendfreund aus meiner ostwestfälischen Heimat. Er hegte ähnliche Unternehmerträume wie ich und so waren rahmengenähte Herrenschuhe unser gemeinsamer Nenner – wir meldeten 2008 die Marke Shoepassion.com an und machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Produzenten. Denn klar war auch: Wir müssen uns von der Masse absetzen, die zum einen dominiert wird durch die großen bekannten Schuhmarken aus dem angelsächsischen Raum, deren durchschnittlicher Verkaufspreis um 500 Euro liegt. Am anderen Ende der Skala existieren billig verklebte Schuhe aus dem Discounter, die um die 100 Euro zu haben sind. Warum gibt es nichts dazwischen und ist es nicht möglich qualitativ hochwertige Schuhe „Made in EU“ zu einem fairen Preis anzubieten?

Und was war Eure Antwort?
Es ist möglich! Wir machten uns auf, diese Lücke zu schließen, indem wir unsere Traumschuhe in einer eigenen Kollektion realisierten. Fehlte allein die passende Manufaktur, die wir recht bald in Spanien fanden. Dank des Direktvertriebs und der Auslassung des Zwischenhandels, gepaart mit den Reichweitenvorteilen des Internets sind wir in der Lage ein sensationelles Preis-Leistungsverhältnis anbieten zu können. Mitte 2009, als wir tief in den Vorbereitungen für unseren Online-Shop steckten, wurde Zappos für eine knappe Milliarde an Amazon verkauft – die Initialzündung für den nun dynamisch wachsenden Online-Schuhmarkt. Wir konnten in der Folge unsere kleine Nische erfolgreich besetzen. Ach ja, seit knapp zwei Jahren bieten wir übrigens auch rahmengenähte Damenschuhe an.

Während der stationäre Handel sich vielerorts von den 'Onlinern' bedroht fühlt, habt ihr als Onliner begonnen und seid nun mit vier Stores in den wichtigsten Innenstädten Deutschlands vertreten. Was ist Eure Sicht auf Online vs. Offline-Handel?
Aus unserer Perspektive gibt es kein 'Online vs. Offline' – für uns sind beide gleichermaßen relevant. Im Shoepassion-Universum bauen beide Kanäle auf die gleiche Systemlandschaft und spielen miteinander erfolgreich Doppelpass. Wo der Kunde mit uns in Kontakt kommt, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Ich muss schon schmunzeln, wenn ich jetzt überall vom Sterben der Einzelhändler lese – es entsteht der Eindruck, als wäre Offline tot, was ich ganz und gar nicht so sehe. 
Übrigens waren die stationären Geschäfte in den großen Städten Deutschlands gar nicht auf unserer anfänglichen Roadmap, der Kunde führte uns da hin: Bereits wenige Wochen nach Liveschaltung von Shoepassion.com im Februar 2010 standen Herren mitten in unseren kleinen Büroräumen. Kunde und Anbieter schauten sich ratlos in die Augen. Der eine war den Angaben im Impressum gefolgt und erwartete ein Schuhgeschäft. Der andere hatte seinen Kunden eigentlich nur in der digitalen Welt erwartet. Da wir unser Lager jedoch vor Ort hatten, konnten wir rasch reagieren. Aus einem kleinen Meetingraum wurde so ein Showroom, den Kunden nach telefonischer Absprache besuchen konnten. Die Beratung in angenehm privater Atmosphäre nahm teilweise Stunden in Anspruch. Irgendwann war der Terminkalender der gesamten Woche gut gefüllt und wir wussten: Wenn wir groß genug für einen Umzug sind, dann realisieren wir auf jeden Fall ein eigenes Ladengeschäft. Ende 2012 war es dann soweit und wir eröffneten unseren Flagshipstore im Erdgeschoss unserer Hauptniederlassung in der Berliner Ackerstraße.

Worin liegt das Erfolgsrezept von Shoepassion.com?
Auf der einen Seite haben wir ein fantastisches Produkt, dass wir dank des effektiven Vertriebswegs zu einem tollen Preis offerieren können. Auf der anderen Seite ist es die Leidenschaft der Leute hinter dem Projekt. Seien es die Berater in unseren Stores, die Jungs aus unserer Logistik oder die Damen und Herren des Kundensupports: Jeder in unserem Haus hat den Servicegedanken verinnerlicht und lebt Shoepassion. Ich denke, das merken die Kunden und honorieren unsere Leidenschaft.

Wie viele Angestellte hat Shoepassion mittlerweile , on- und offline zusammengenommen?
Am Anfang waren wir fünf Enthusiasten, die neben ihrer Haupttätigkeit das Projekt Shoepassion.com aufbauten. Heute sind es knapp 70 schuhbegeisterte Männer und Frauen, die für uns online und offline tätig sind.

Was kann der stationäre Handel von E-Commerce lernen?
Leidenschaft und schlanke Strukturen. Die Rabattschlachten der Vergangenheit, die letztlich in der „Geiz-ist-geil“-Mentalität gipfelten, bekamen dem Einzelhandel überhaupt nicht gut. Einzig der Preis bestimmte das Geschäft. Die Kenntnis der eigenen Produkte und Kunden blieb dabei auf der Strecke. 
Ich kann hier nicht für alle Onliner sprechen, aber wir kennen unser Kernprodukt, den rahmengenähten Schuh und seine Geschichte in und auswendig und dank der Kommunikation mit unseren Kunden wissen wir auch sehr genau, was er bei uns und vor allem von uns erwartet. Darüber hinaus arbeiten wir in kleinen Teams, die Dienstwege sind kurz - wir wollen kein Verwaltungsapparat sein. Hat jemand eine tolle Idee, dann wird sie umgesetzt.

Und umgekehrt?
Weiß ich nicht. Ich maße mich an zu behaupten, dass wir als erfahrene Onliner, die jetzt den Schritt in die Welt des Einzelhandels wagten, einfach die besseren Offliner sein können. Wir sind effektiv, verfügen über die Wissensexzellenz auf unserem Gebiet und kennen unsere Kunden. Als wir den Shop mitsamt seiner unglaublichen Wissenstiefe damals konzipierten, da haben wir versucht, die Prinzipien des Feinkostladens auf die Online-Welt zu übertragen. Es hat funktioniert. Jetzt bringen wir sie zurück in den Offline-Handel und wie wir tagtäglich in unseren Stores erfahren: der Kunde schätzt unseren Qualitätsansatz.

Wie unterscheiden sich Eure Zielgruppen on- und offline?
Ich denke, wir haben offline noch einmal einen ganz anderen Kundentypus erschließen können. Zum einen Leute, die dem Internethandel nicht so recht über den Weg trauen und hier auch vielleicht schon schlechte Erfahrungen gemacht haben. Zum anderen natürlich die totalen Haptiker. Denn egal wie fundiert wir die Schuhe auf unserer Seite mit all den Beschreibungen, den Fotos und Videos präsentieren, Geruch und Haptik können wir leider (noch) nicht transportieren. Interessanterweise ergeben sich hier keinerlei Altersunterschiede. Auch der über 60-jährige kauft bei uns online, während der 20-Jähirge auch gerne unsere Stores aufsucht.

Welche Rolle spielt Social Media für Shoepassion?
Wir stehen in einem engen Kontakt zu unseren Kunden und lassen uns von ihnen auf verschiedenen Wegen Feedback geben. Sei es per Mail, am Telefon, im Chat, im Ladengeschäft oder aber auch auf unseren Schuhpflegeseminaren. Das höchste Ziel, was wir erreichen können, ist seine Empfehlung. 
Social Media bietet sich für den direkten und ungeschminkten Austausch perfekt an. Welches Modell fehlt noch in unserer Kollektion? Das können wir bequem über Facebook herausfinden. Oder in welchen Lebenssituationen begleitet Shoepassion.com den Kunden? Das sehen wir, wenn sie uns Fotos - natürlich auch die beliebten Shoefies - schicken und wir dann sehen, dass jemand auf unseren schwarzen Captoe Oxford bei seiner eigenen Hochzeit vertraute. Social Media hilft dieses Band zum Kunden noch enger zu knüpfen.

Sind die deutschen Männer modisch wirklich so schlecht positioniert wie ihr Ruf?
Nun, Geschmack ist halt immer subjektiv und am Ende darf man nicht so anmaßend sein, wissen zu glauben, was der Kunde unbedingt braucht. Besser ist es, auf den Kunden zu hören. Wir haben unsere Lektion mit den 520er Modellen unserer Herren-Klassiker-Kollektion gelernt. Charakteristisch für diese Modelle ist die auffallende Karreeform an der Schuhspitze. Eine Leistenform, die uns im deutschen Alltag oft begegnet. Mein persönlicher Geschmack liegt bei den britischen, eher sanft gerundeten Leistenformen und von daher kam das Karree für mich nie in Frage. Tja, letztes Jahr haben wir nach vielfachem Wunsch hier nachgebessert und die Modelle mit dem „Deutschen Karree“ erfreuen sich höchster Beliebtheit in Deutschland, während sie im angelsächsischen Raum genüsslich verachtet werden. (lacht) 
Ich denke jedoch, das unser Karree immer noch modisch ansprechender und eleganter wirkt als manch anderes Modell der Konkurrenz. Insofern tragen wir unseren Beitrag zur Renaissance des guten Geschmacks bei.

Habt Ihr, neben dem deutschen Markt, auch schon ein Auge auf andere Märkte geworfen? 
Ja, wir sind bereits in anderen Märkten präsent. Aktuell verfügen wir über sieben internationale Kanäle. Los ging es mit Shoepassion.com und Shoepassion.co.uk. Es folgten eigene Online-Shops für Polen, Frankreich und die Niederlande. Zudem werden Österreich und die Schweiz ebenso mit eigenen Domains abgeholt. Ziel ist es, dass gesamte Angebot der deutschen Seite von Shoepassion.com in den jeweiligen Sprachen abzubilden. Zudem wurde vor wenigen Wochen der erste internationale Store in Warschau eröffnet.

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Tags: Shoepassion.com, Tim Keding, Schuhe, Herren, Handel, Online, Interview
Interviews
POSTED by Barbara Russ at 14:22
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