Interview mit Marco Lanowy, teilhabender Geschäftsführer der Alberto GmbH & Co. KG.

Friday, 23 March 2018
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Aus J'N'C 1-2018 THE FUTURE OF FASHION RETAIL

Wie geht Fashion Retail heute? „Der Kunde muss sich fühlen wie ein Gast“, meint Marco Lanowy, teilhabender Geschäftsführer der Alberto GmbH & Co. KG.

Überflügelt digitales Shopping in Zukunft die physischen Shops? 
Meiner Meinung nach müssen wir mehr von einer Brücke zwischen Digitalem und Physischem sprechen. Schließlich haben wir unterschiedliche Sparten, die man differenzieren muss. Wenn wir von Produkten sprechen, wollen wir kein Spezialist sein, der ein Outlet eröffnet, sondern ein Spezialist, der einen Concept Store eröffnet. Und das haben wir in Mönchengladbach, mit der Fragestellung „Was will der Kunde physisch erleben und was digital?“, getan.

Und wie sind dort die Erfahrungen?
Seit 2003 arbeiten wir mit einem Online-Shop und der Kernpositionierung: Verfügbarkeiten, gerichtet an den Endverbraucher. Dafür haben wir ein sehr eng gesponnenes Netz aus Händlern und Custom Managern, die die Brücke schlagen zwischen Handelsagentur, Unternehmen, Kunden und Endverbrauchern.

Was bedeutet das konkret?
Der Kunde sucht heute im Wesentlichen einen Berater. Beim Produkt dreht sich alles um das Umfeld, in dem es gezeigt wird. Ich schaffe eine Wohlfühl-Atmosphäre. Wichtig ist dabei die Übersichtlichkeit und das Vorhandensein einer Kabine, in der der Kunde sich bewegen und seine Dinge ablegen kann. Außerhalb der Kabine sollte der Kunde sich nicht sofort im Ladenlokal befinden, sondern in einer Zone, in dem der Mitarbeiter zur sofortigen Beratung bereit steht. Das zähle ich zu den ganz leisen Skills. Auch haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Lichtführung den Kunden beeinflusst. Und wie reagiert er eigentlich auf Digitalität? Wir sind der erste deutsche Händler, der Amazons Alexa eingeführt hat. Nicht um mit ihr aktives Shopping zu betreiben, sondern zur Service-Nutzung und zur Herstellung einer Interaktion zwischen dem Kunden und unserem Spezialisten. So erfährt man etwa die Geschichte der Marke Alberto oder kann internationale Größenumrechnungen abfragen. Auf all diesen Skills bauen wir aktiv auf. Die nächste Weiterentwicklung ist, dass die Spezialisten nicht mehr auf ein iPad schauen, sondern in den Raum fragen: „Alexa, ist dieses Produkt in dieser Größe noch verfügbar?“.

Also Mensch und Maschine arbeiten Hand in Hand.
Absolut. Denn wir bewegen uns nicht vom Kunden weg, sondern fragen jemanden der stimmlich präsent ist.

Sehen Sie den Laden als Showroom, in den Leute kommen um Größen und Schnitte auszuprobieren, um dann weiterführend online einzukaufen?
Viele unserer Online-Kunden entscheiden sich, unseren Store zu besuchen, da sie mit der Beratung sehr zufrieden sind. Wenn sich ein Kunde eine Hose bestellt, schicken wir sie direkt zu ihm nach Hause. Wir übernehmen also einen Prozess. Und von 100 Befragten gaben 98 an, wieder in den Store zu kommen. Denn die Experience überzeugt. Nach der Bestellung einer Hose, hängt diese an einem Magnet an der Wand. Der Kunde betritt den Store, sieht seine Hose bereits an der Wand hängen und hat ein Lächeln im Gesicht. Der Verkäufer kommt und sagt, dass die Hose schon vorbereitet wurde und der Kunde ist beeindruckt. Wir können viel von anderen Industrien lernen, insbesondere von der Automobilindustrie. Ihr Konzept ist dasselbe, wenn wir uns die Showroom-Entwicklung ansehen. So ein Gefühl müssen wir auf Dauer erzeugen. Das Produkt soll in Szene gesetzt werden, erst danach folgen Konfiguration und Bedarfsermittlung. Die kann heute und in Zukunft so aussehen: Indem ich dem Kunden eine VR Brille aufsetze, mich mit ihm aktiv an das Produkt herantaste, ihn durch Welten schicke oder rate sich das Produkt online passiv anzusehen und im Store aktiv zu bestellen. Das ist die Brücke zwischen digital und physisch.
Ich bin immer wieder begeistert, wenn eine Wunschzielgruppe sich auf den Weg zu uns in den Store macht. Mittlerweile haben wir ein Einzugsgebiet von 150 km. Mönchengladbach ist keine bekannte Shopping-Stadt wie Düsseldorf oder Köln – deshalb gibt es so viele Faktoren, die den Kunden woanders hin locken.

Sie haben eine Store-Card was hat es damit auf sich?
In erster Linie informiert die Alberto Store-Card den Kunden über Aktives und Neues und stellt einen kostenlosen und permanenten Änderungsservice zur Verfügung. Zudem bieten wir eine verlängerte Garantie auf Verschleißteile an, wie etwa Reißverschlüsse oder Knöpfe. Das sind für uns Selbstverständlichkeiten. Mit der Store-Card geben wir das Versprechen ab, dass jeder immer mit einer passenden Hose den Laden verlässt.
Wenn wir Digitalisierung als Service verstehen, kommen viele Fragen auf: Was sind die Service-Needs in Zukunft? Wie hole ich die Kunden mit bestimmten Services ab? Und wo gebe ich ihnen die Balance, auch mal wieder Ruhe zu finden?

Schulen Sie ihre Mitarbeiter auch in den Kaufhäusern oder ist dafür das jeweilige Kaufhaus zuständig?
Wir haben ein ganz neues Projekt mit zwei Aspekten: Erstens, fahren die Mitarbeiter aus dem Alberto Store zum Schulen raus und berichten von ihren Erlebnissen im Store. Zweitens haben wir Custom Manager, die hinausfahren, um zu schulen und die Neugierde auf den Store wecken. Ab diesem Zeitpunkt laden wir dann auch ein und bieten den Händlern an, ihre Mitarbeiter einen Tag bei uns im Store arbeiten zu lassen. 

Machen Sie im Store auch Personal Shopping?
Unser Konzept lautet Pants by Appointment. Die Kunden können sich nach Ladenschluss um 18:30 Uhr einen Termin für ein privates Shopping-Erlebnis geben lassen. Wenn sie bei unserem Store klingeln erscheint dann am Bildschirm: „Herzlich Willkommen Herr X“.

Welche Plattformen sind im digitalen Bereich für Sie unverzichtbar?
Eine digitale und physische Präsenz sind heute essenziell. Wir greifen immer wieder darauf zurück. Der Store ist offline, während die Online-Verbindung Google ist. Das ist die größte Suchmaschine und stellt für mich die größte Plattform dar. Andere Plattformen wie Amazon oder Zalando bediene ich nicht. Darum kümmern sich nur die Händler. Auch Outlets beliefern wir nicht. Letztendlich lässt sich festhalten, dass wir kanalisieren.

Outlets bedienen sie nicht. Haben sie dann generell auch keinen Sale im Store?
Wir veranstalten zwei Mal im Jahr eine Sale Week, die von Mittwoch bis Samstag stattfindet. Trotzdem werden wir keine reduzierte und reguläre Ware nebeneinander anbieten. Wir wollen berechenbar sein.

Weil die Hosen von Alberto zeitlos sind?
Nein, das würde ich nicht sagen. Wir haben in unserem Store mittlerweile 80 Prozent Modernität. Das heißt, wir verkaufen Cropped, Pleat und Checks Modelle, die in den letzten drei Jahren sehr erfolgreich liefen.

Planen Sie noch einen weiteren Store in Zukunft?
Das ist gerade aktiv nicht in Planung. Die nächsten drei Jahre möchte ich erstmal Umsatzbegleichungen sehen und verfolgen, wie alles angenommen wird und auch in Erfahrung bringen, wie die digitalen Flanken, die gerade aufgebaut werden, eingesetzt werden können. Da ist auch sehr viel Spielerei dabei und es herrscht gerade eine große Aufregung im Markt. Nehmen wir allein das Thema Online-Shopping. Zunächst waren viele skeptisch und doch haben alle sehr schnell Bodenhaftung bekommen, weil sie gemerkt haben, welches Kosten-Nutzen-Verhältnis eigentlich dahinter steckt. Es gilt also, viele Fragen zu beantworten. Wie nutzt man Online als Kommunikationsplattform zum Kunden? Die Visitenkarte ins Netz stellen allein reicht nicht.Es gibt diesen alten Spruch: Handel ist Wandel. Den wird es in jeglicher Form permanent geben. Deutschland ist einer der dichtesten Retail-Orte auf der Welt. Hier ist Kaufkraft vorhanden. Dadurch haben wir mehr denn je die Herausforderung, uns diesem Wandel auch anzupassen. Eine Umkodierung findet statt, Trampelpfade verändern sich in der Experience. Einkaufsstraßen, die wir früher durch Vertikalität eingerichtet haben, sind nicht mehr aktuell. Es müssen andere Erlebnisse her. Aber im Augenblick zählt nur, wer die höchste Miete zahlen kann, gewinnt. Eine Bewegung, die ich mit Begeisterung verfolge: In Berlin gehen die Menschen in ihrem eigenen Kiez shoppen, weil sie da ihren eigenen Bäcker, ihr Café oder vielleicht ihren Laden haben. Oder der Retail-Handel in Oslo: Die Kunden werden zunächst nett begrüßt und bekommen einen Kaffee, vielleicht baut sich ein Gespräch auf. So wird aus einem Verkäufer ein Freund. Das finde ich sehr schön. Unseren Store betreut mein Sohn mit einer Kollegin und die Leute kommen herein, um einfach nur einen Kaffee zu trinken oder sich eine Limo zu bestellen. Am Wochenende kommen sie dann mit ihrem Partner zurück. Und das finde ich großartig, denn genau so stelle ich mir Handel vor.

Ihr persönliches Shopping-Highlight?
Das schönste Erlebnis ist, als Freund empfangen zu werden und nicht als Konsument. Den Store mit dem Wissen zu verlassen, dass es nicht der letzte Besuch war, weil die Mitarbeiter so nett waren. Wenn Service leise ist. Ich mag keine Servicemails mit „Wie zufrieden waren Sie mit ...“. Dafür ist es dann schon zu spät. Service ist leise, wenn der Kunde aus der Kabine kommt und alles vorbereitet liegen sieht. Das setzen wir auch bei uns im Store um. Beispielsweise hängen wir eine Hose mit einem Zettel in die Kabine, auf dem steht: „Unsere Empfehlung des Hauses“. Daraufhin kommen die Kunden zu uns und fragen: „Kann ich die mal anprobieren?“

 

 

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Tags: alberto
Interviews
POSTED by Anna Proctor at 14:05
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