"Wir brauchen eine grosse internationale Leitmesse" Exklusivinterview mit Karl-Heinz Müller

Monday, 21 July 2014
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kar-heinz-mueller

Bread & Butter Messechef Karl-Heinz Müller / Foto: A boy called 7 daysisaweekend / Rainer Rudolf-Benoit

In Zukunft wird sich vieles ändern. Die Bread & Butter zieht 2015 neben Berlin nach Barcelona und Seoul. Wir sprachen mit Messechef Karl-Heinz Müller über die Tücken, immer der Anführer zu sein.

Tag 3 auf der 31. Bread & Butter, die mit einem fulminanten Auftakt gestartet ist. Herr Müller, wie geht es Ihnen?
Die Bread & Butter war gut, Aussteller und Besucher waren zufrieden. Das Wetter war leider nicht das beste, trotzdem war alles gut. Ich weiß natürlich, dass eine Menge Arbeit vor uns liegt. Aber das war ja schon immer so. Wir wollen uns schließlich nicht ausruhen. Die Branche erwartet schon seit Längerem von uns, dass etwas Neues geschieht. Ich liebe es, diese Herausforderung anzunehmen.

Dass Sie etwas ändern würden, wurde ja in den letzten Tagen stark kolportiert. Was genau ist Sinn und Zweck Ihrer Neuausrichtung?
Der Handel hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Die Dominanz der vertikalen Marken, von H&M bis Primark, der starke Online-Handel, die zunehmende Vertikalisierung der Marken durch immer mehr eigene „Stand Alone Stores“. Das alles hat den Multi­brand-Retailer und somit das Wholesale-Business der Marken in den Hintergrund gedrängt. Dieser Tatsache können wir uns nicht verschließen. Mittlerweile mussten viele Marken konstatieren, dass der eigene Retail, auch das Online-Geschäft, in Bezug auf Umsatz und Rendite nicht immer den gewünschten Erfolg bringt. Ich glaube, dass sich die Marken künftig wieder auf die Wichtigkeit des Wholesale-Business zurückbesinnen werden.
Damit wird das Thema Messe wieder interessanter für Marken und Label. Allerdings muss sich eine Messe sowohl für die ausstellenden Marken als auch für den Einkäufer wirklich lohnen. Alle Marktteilnehmer brauchen einen kurzfristigen Return on Investment. Des Weiteren glaube ich daran, dass eine „neue“ Messe ein umfassendes, breit gefächertes Portfolio der interessantesten und wichtigsten Marken, Label und Designer bieten muss, und zwar über alle Genres. Die Branche braucht nach der zerklüfteten, kleinteiligen Messelandschaft, wie sie sich zurzeit in Berlin, Deutschland und Europa darstellt, wieder eine große, internationale Leitmesse.

Sie haben am Dienstag, also am Abend des ersten Messetages, Ihre AGENDA 2015 vorgestellt. Sie gehen also im Januar nach Barcelona, sind im Juli wieder in Berlin und dann geht’s nach Seoul. Warum tun Sie das? Warum bleiben Sie nicht einfach, wo Sie sind – in Berlin?
Soeben ging die 31. Bread & Butter zu Ende. Wir haben an verschiedenen Orten veranstaltet, es ging los in Köln, dann Berlin, danach Barcelona, jetzt sind wir schon zum 11. Mal in Berlin-Tempelhof. Warum wir das tun, ist sehr einfach zu beantworten: Die Modeleute langweilen sich inzwischen, sie sind nicht mehr zufrieden. Routine ist der Killer von Kreativität und Innovation. Mode lebt vom Neuen.
Es geht auch nicht darum, auf Biegen und Brechen etwas Neues zu machen. Es geht darum, die Märkte zu erreichen. Unsere Erfahrung hat gezeigt: Als wir zu lange in Barcelona waren, haben wir mit der Zeit den Kontakt zu den nordeuropäischen Märkten verloren, auch zum deutschen Markt. Nach längerer Zeit, jetzt in Berlin, stellt sich das gleiche Problem, nur umgekehrt. Die südeuropäischen Einkäufer kommen nicht mehr in der gewünschten Anzahl. Die Internationalität von Ausstellern und Besuchern ging erheblich zurück, trotz immer mehr Messen speziell in Berlin. Als Berlin bzw. Barcelona noch neu waren, hatten wir bei Rekordbesucherzahlen jeweils bis zu 70 % internationale Besucher. Diese Quote wollen wir zurückerobern, ohne den heimischen Markt zu vernachlässigen.
Durch das neue, alternierende Konzept, eine Saison in Barcelona, also im Süden, und in der nächsten Saison wieder in Berlin, d. h. im Norden, kommen wir den Märkten entgegen und nehmen sie jeweils mit in die entgegengesetzte Richtung. Das ist eine strategische Entscheidung. Damit bieten wir unseren Ausstellern die Möglichkeit, mit nur zwei Messen im Jahr ganz Europa abzudecken. Seoul kommt on top dazu, steht aber nicht in Konkurrenz zu Europa.

Sie erfinden sich also neu?
Die Marken brauchen einen starken, aussagekräftigen Auftritt, der das Image der jeweiligen Marke rüberbringt. Dann funktioniert auch der Vertrieb. Das ist auf Dutzenden kleineren Veranstaltungen, wie sie überall in Berlin, Deutschland und Europa stattfinden, nicht möglich. Weil die internationale Leitmesse fehlt, verweigern die Marken zunehmend ihre Teilnahme an Messen.
Die Resultate der kürzlich zu Ende gegangenen Messen in Florenz, Paris und Berlin belegen eindrucksvoll, dass alle mit Besucherrückgängen zu kämpfen haben. Überall fehlt die Internationalität. Wer etwas anderes behauptet, ist nicht ehrlich.

In den Interviews, die wir in den vergangenen Tagen mit Ausstellern geführt haben, wurde immer wieder auf den starken und stabilen deutschen Markt verwiesen. Viele haben gesagt: „Wir brauchen eine deutsche Messe“. Wie sehen Sie das?
Wir brauchen keine deutsche Messe, wir brauchen eine internationale Messe, natürlich mit starker deutscher Beteiligung aus Handel und Industrie. Unser Ziel ist es auch nicht, eine spanische Messe in Barcelona zu veranstalten, unser Ziel ist die „Internationale Leitmesse“.
Selbstverständlich ist es wichtig, dass die ausstellenden Marken ihre Vertriebsleute aus den unterschiedlichen Ländern mitbringen, natürlich auch aus Deutschland. Jedes noch so kleine Label braucht internationale Kunden.
Deshalb werden wir in Barcelona im Januar eine ganze Halle für Designer und Agenten mit fertig gebauten Ständen anbieten sowie eine Halle für die etablierten und starken Marken aus der klassischen DOB und HAKA.
Der Flug von Düsseldorf oder München nach Barcelona kostet nicht mehr als nach Berlin. Barcelona hat einen überaus leistungsfähigen Flughafen, fast alle Low Cost Carrier fliegen Barcelona an. Es ist beispielsweise erheblich einfacher und günstiger nach Barcelona zu kommen als nach Florenz.

Apropos Florenz: Warum haben Sie sich mit Ihrem Termin vor die Pitti Uomo ­gesetzt? Das ist ja fast ein Tabubruch! Dr. Napoleone hat sich darüber ja schon in Interviews beschwert.
Die Leitmesse braucht einen frühen Termin, sonst leidet die Internationalität. Die Mehrzahl der Kollektionen sind bis Weihnachten fertig. Die meisten Line Meetings finden bereits im Dezember statt. Deshalb wird die Bread & Butter künftig früher stattfinden.
London, Florenz, Mailand und Paris haben sich abgesprochen. Am 10. Januar fängt London an, dann kommt die Pitti Uomo, ab dem 13. bis 16. Januar. Dann folgt Mailand und dann Paris. Bis zum 25. Januar 2015 ist somit der internationale Kalender dicht. Ich nehme dieses Ausbooten nicht hin. Wir haben kein Problem damit, zum 8. Januar 2015 bereit zu sein, und unsere Marken befürworten diesen frühen Termin. Bread & Butter stellt sich sicherlich nicht hinten an. Der frühe Vogel fängt den Wurm.

Wie fiel das erste Feedback aus?
So wie es immer ausfällt, wenn man den gewohnten Pfad verlässt. Es ist ungefähr so wie damals in Köln, als wir gesagt haben, wir gehen nach Berlin. Das textile Establishment hat seinerzeit klar Stellung gegen Berlin bezogen, ebenso die deutschen textilen Fachblätter. Die Opinion Leader waren von Anfang an mit dabei. Es hat sich für sie gelohnt. 10 Jahre später sind sie alle hier in Berlin, auch die Etablierten. Die Restaurants sind mittlerweile bekannt, auch die Clubs und die Läden, es fehlt der Sex und der Reiz des Neuen. Es gibt nichts mehr zu entdecken.
Letztlich kommt es auf die Motivation des Einzelnen an. Der deutsche Handelsvertreter bzw. die Länderfürsten der Marken haben zum Teil Bedenken, dass die deutschen Einkäufer nach Barcelona reisen. Ich hingegen glaube, dass der deutsche Händler wieder gerne nach Barcelona kommt. Wichtig ist doch nur, dass er vor Ort seinen Ansprechpartner antrifft. Die Inhaber von international agierenden Marken sind hingegen durchweg positiv gestimmt.
Noch einmal: Es geht hier nicht nur um Barcelona, es geht um ein neues Konzept: Barcelona und Berlin im Wechsel. Wir sehen eine Erholung der südeuropäischen Märkte. Deshalb kommen wir ihnen mit Barcelona entgegen.
Unsere Mitbewerber in Berlin argumentieren natürlich in ihrem Sinne. Das ist legitim. Es gibt ja durchaus Argumente, die für Berlin sprechen. Die Alternative ist, im Januar hier in Berlin zu bleiben, ohne die Zugkraft der Bread & Butter. Es wird leer werden in Berlin ohne die Bread & Butter, so wie damals, als wir das erste Mal in Barcelona waren.

Nun steht der Flughafen Berlin-Tempelhof im Januar 2015 erst einmal leer. Wie hat Klaus Wowereit auf die Neuigkeit reagiert?
Für ihn war es natürlich keine positive Nachricht. Schließlich hat er sich stark für uns eingesetzt. Ich habe ihm unser neues Konzept erklärt. Er hat verstanden, warum ich diese Entscheidung getroffen habe. Er freut sich auf unsere Rückkehr im Juli und wir bleiben natürlich im Gespräch.

Noch einmal zurück nach Seoul. Haben Sie die südkoreanische Hauptstadt als Standort zwischen den Weltmärkten China und Japan gewählt?
Seoul ist die ideale Metropole für Bread & Butter. Seoul ist jung, aktiv, kreativ und unglaublich dynamisch – und Seoul will die Bread & Butter. Anders als in China findet hier Independent Retail statt. Seoul ist das Berlin Asiens, allerdings viermal so groß. Alle kommen nach Seoul, wenn sie etwas erleben wollen, die Chinesen, die Indonesier und sogar die Japaner.
Wir wollen dort alle zusammenbringen, die eine Chance im asiatischen Markt sehen, Marken aus der ganzen Welt, natürlich auch die europäischen Marken.
Am 12. September 2014 stellen wir unseren potenziellen Ausstellern Seoul vor Ort vor. Wir laden alle Interessierten nach Seoul ein. Der Bürgermeister von Seoul, Won Soon Park, wird alle persönlich begrüßen.

Diese Bread & Butter stand mit „Carnaval do Brasil“ unter dem Motto der Fußball-WM. Sind Sie Fußballfan?
Natürlich bin ich Fußballfan. Wir haben immer alles auf die jeweilige WM ausgerichtet. 2006 in Barcelona, als uns die Italiener in den letzten Minuten im Halbfinale besiegt haben, und auch 2010, als uns die Spanier im Halbfinale geschlagen haben. Mein Gott, wie haben wir gelitten.
Ich habe vor dem Halbfinale gegen Brasilien auf der Bühne gesagt, Deutschland wird Weltmeister. Nun haben wir nach Brasilien auch Argentinien besiegt. Es ist unfassbar, den Titel in Brasilien zu gewinnen.
Am Sonntag haben alle B&B-Mitarbeiter und ihre Familien und Freunde das Endspiel auf Tempelhof gesehen, auf dem großen Screen, an unserer Copacabana Beach, bei Bier und BBQ. Es war ein enger Kreis, vielleicht 400 Leute. Es war ein tolles Erlebnis, ich werde es nie vergessen.

Interview: Jemima Gnacke

 

Das Interview erscheint in unserer J'N'C News Review Bread & Butter am Freiitag, den 25. Juli 2014

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Tags: bread & butter review, karl-heinz müller
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POSTED by J'N'C at 09:17
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